Früher einmal war es Nadelbäumchens größter Wunsch gewesen, als Weihnachtsbaum auserkoren zu werden und geschmückt in einem Wohnzimmer oder wenigstens auf einem Balkon zu stehen. Der kluge Täuberich hatte ihm allerdings gesagt, dass es nicht traurig darüber sein solle, sondern froh sei könne, dass es nicht so gekommen ist - denn all die Bäumchen würden schon kurz nach dem Fest entsorgt. Und dann? Nadelbäumchen hatte es zunächst nicht glauben wollen, dann aber mit eigenen Augen gesehen, dass es stimmte. Ab diesem Moment war es sehr froh, unbehelligt auf seiner Wiese stehen zu können! Umso erschrockener war es, als es sah, wie jemand auf es zeigte und hörte, es solle der diesjährige Weihnachtsbaum werden! Es bekam Todesangst und zitterte. Die Krähe beruhigte es allerdings und bat es, sich doch einmal azusehen, was die Leute alles ageschleppt brachten: Lichterketten, Sterne, Schleifen, Kugeln ... Ja, es war auserkoren, der diesjährige Weihnachtsbaum zu werden, aber nicht. um gefällt zu werden, sondern festlich geschmückt im Lichterglanz auf seiner Wiese zu stehen! Da war es natürlich erleichtert und,als alles fertig war, es gefiel sich auch sehr. Doch seine Vogelfreunde zogen sich vorübergehend zum Schlafen lieber auf die benachbarten Bäume zurück, weil sie sich im Baumschmuck nicht verfangen wollten. Da wurde dem Nadelbäumchen bewusst, dass ihm Gesundheit und seine Freunde viel wichtiger sind, als Schönheit, Glitzer, Glanz und Gefunkel.
Mit dieser Geschichte ist das Märchen vom Nadelbäumchen zu Ende.

Dichter Nebel ist aufgezogen, Nadelbäumchen kann nicht einmal das gegenüber stehende Haus erkennen. Da hört es von dort einen Jungen singen: "Oh Nadelbaum, Oh Nadelbaum! Du stehst vor meinem Fenster! Wenn dichter Nebel durch dich weht, seh ich darin Gespenster!" und dann eine Frauenstimme mahnen: "Jetzt kommt der Herbst aber mit Pauken und Trompeten! Mach bitte das Fenster zu!" Nadelbäumchen hört nun zuächst das Geräusch des sich schließenden Fensters und dann eine geisterhaft klingende Stimme aus dem Nebel fragen: "Huhuuuh! Wer hat uns gerufen?" Erschrocken schaut es in die Richtung, aus der es die Stimme vernommen hatte und sieht drei Männchen, durch den dichten Nebel allerdings recht schemenhaft. Die drei drei verraten ihm, dass sie verzauberte Karnevalsprinzen seien und nun als Nebelchen vom Karnevalsclub "Vernebelt geschnäbelt e.V." herumgeistern, aber nur aller hundert Jahre sichtbar werden könnten, wenn jemand am 11.11. 11 Uhr 11 die Parole "Mit Pauken und Trompeten" gerufen hat. Ihre Namen seien Dsching Derassa, Bum Bum-Bum und Kling Klong. Bis zum Rosenmontag würden sie nun überall für fröhliche Stimmug sorgen, wo "Tschingderassabum" ertönt. Nadelbäumchen wollte sie gerade bitten, ihm eine Kostprobe ihres Könnens zu geben und sie fragen, ob und wie der Zauber aufgehoben werden könne, da zogen die Nebelschwaden fort und die drei Nebelchen mit ihnen.

Die Redaktion der städtischen Zeitung hat einen Fotowettbewerb ausgerufen, bei dem unter dem Motto "Beliebtester Baum in unserem Viertel - Baumkönig des Jahres" die schönsten Bäume gekürt werden sollen. Die 12 beliebtesten Bäume sollen in einem Kalender präsentiert werden, dessen Verkaufserlös einer gemeinnützigen Einrichtung zugute kommt. Außerdem soll in jedem Stadtviertel vor dem Baum mit den meisten Stimmen eine Bank aufgestellt werden, mit der Inschrift "In unsrem Viertel ist es schön, weil hier gesunde Bäume stehn. Der schönste Baum steht hinter mir! Komm setz Dich, ruh Dich aus bei mir!" Und der Baum mit der insgesamt höchsten Stimmzahl soll zum Baumkönig gekürt werden und eine Ehrentafel erhalten. Nadelbäumchens Schutzfeen putzen es prächtig heraus und es wird von den Leuten eifrig fotografiert. Zwei Mädchen wollen eigentlich ein Foto von sich mit dem Nadelbäumchen machen und damit am Fotowettbewerb teilnehmen. Doch dann überlegen sie sich, dass Kinderbilder besser nicht in der Zeitung gezeigt werden sollen und wollen lieber ein Bild von Nadelbäumchen und den Tieren machen. Da bringen sich alle in Position: Das Taubenpärchen, die Elstern, der Eichelhäher Jay, die alte Krähe, Spatz Gorrión und sein Schwarm, die Blaumeise Cinciarella, der Specht Picchio, Eichhörnchen Belka und selbst Marini, der Marienkäfer. Ob das Nadelbäumchen einen der Preise gewinnen wird?

Nadelbäumchen schaut zum Balkon der Oma im 2.Stock des gegenüber stehenden Hauses hinüber und sieht sie für 3 Personen den Tisch decken.Sie trägt Pflaumenkuchen auf und verführerischer Duft dringt zum Nadelbäumchen. Hm! Dann sieht er den kleinen Jungen und seine Mutter mit Oma auf dem Balkon. Sie haben Blumen mitgebracht und gratulieren ihr zum Geburtstag. Der Junge überreicht als Geburtstagsgeschenk einen Gedichtband, weil Oma so gern Gedichte liest. Bevor er ihr das Büchlein übergibt, liest er aber daraus ein Igelgedicht vor. Da fallen dem Nadelbäumchen die Igel wieder ein, die es schon längere Zeit nicht mehr gesehen hatte. Wie mochte es ihnen wohl ergangen sein? An diesem Abend kam eine Igelfamilie auf seine Wiese getippelt - hungrig, durstig und die Mutter ziemlich geschwächt. Nadelbäumchen überlegte gerade, den Mond zu bitten, Schlafwichtel mit Träumen zu den Menschen zu schicken, damit diese sich um die Igel kümmern sollten - da kam eine junge Frau mit Futter und Wasser für die Igel auf die Wiese. Sie stellte dazu flache Schälchen in die Nähe der Büsche und steckte ein Schild in die Erde mit Angaben zur Igelhilfe,was Igel fressen und dass sie nur Wasser trinken dürfen. Kaum, dass die Frau gegangen war, stärkte sich die ganze Igelfamilie an Futter und Wasser,dann zog sie sich in die Büsche zurück. Nadelbäumchen hörte sie kurz darauf ganz laut schnarchen.

In einer sternenklaren Oktobernacht kann Nadelbäumchen nicht schlafen und beobachtet Menschen aus dem gegenüber stehenen Haus dabei, wie sie den Nachthimmel betrachten und hört zu, was sie sich über die Sterne erzählen. Dadurch erfährt es, welcher Stern der Saturn, welcher der Jupiter und welcher der Mars ist. Es findet sogar das Himmels-W. Nachdem es gehört hatte, dass man sich bei Sternschnuppen entwas wünschen kann, wünscht es sich ... Psst! Das darf man nicht verraten! Sonst geht der Wunsch nicht in Erfüllung!

Es war am 5.Oktober, als das Nadelbäumchen aus der Ferne eine Musik spielen hörte, deren Rhythmus es bis in die Wurzeln mitzucken ließ. Als die Wurzelkobolde, verwundert darüber, aus dem Erdreich herauf kamen, ergriff der Rhythmus auch sie.Plötzlich kam eine große, ovale Blase auf sie zugeschwebt, die in allen Farben des Regenbogens schimmerte. An einer Seite hing ein langes Seil herab und an dessen Ende ein nach oben gebogenes. Mit diesem blieb das schwebende Gebilde an einem Grasbüschel hängen, die bunte Blase stach sich an Nadelbäumchens Nadeln und löste sich in Luft auf. Dadurch tauchten nun die, bisher in ihrem Innern verborgenen, tanzenden Noten auf und mischten sich sofort mit in den Wirbel der im Winde kreisenden Herbstblätter. Nadelbäumchen war völlig verwundert darüber. Die alte Krähe meinte, nun habe sich die Prophezeihung der guten Fee erfüllt, die ihr einst der Großvater erzählt hatte: am 5.Oktober des Jahres, in dem das Reisebüro sein 30jähriges Bestehen feiert, werde sich die Prohezeihung der guten Fee erfüllen und Musik einer Band namens Spreading Joy zu hören sein, die wie sich ausbreitende Freude erklingt.

Zwei wuschelige Wesen tummeln sich auf Nadelbäumchens Wiese. Flüchtig betrachtet hält Nadelbäumchen sie für Katzen, doch bei näherem Hinsehen fällt ihm auf: Katzen haben lange Schwänze, diese hier nur kleine Puschel. Katzen haben kurze, dreieckige Ohren, diese hier ganz lange, die mal lang liegen, mal hoch stehen, mal eins hoch und eins geknickt. Was für Wesen sind das? Die Krähe erzählt ihm, dass das Hasen sind. Von denen habe es hier, vor Nadelbäumchens Anpflanzung, viele gegeben. Doch dann war hier lange Zeit eine Großbaustelle, da sind sie fortgezogen. Nun kommen sie vielleicht wieder zurück? Nachts wird Nadelbäumchen vom Läuten der Kirchturmuhr wach und sieht etliche Hasen auf seine Wiese kommen. Einer der Hasen trägt eine Brille! Die anderen sind offenbar Hasenkinder und der Hase mit Brille scheint ihr Lehrer zu sein. Er erklärt ihnen, dass sie nun, nach guter Erziehung durch ihre Eltern, reif genug seien, das ehrwürdigste aller Handwerke zu erlernen, das ein Hase je lernen kann ...

Schreckliche Geräusche musste Nadelbäumchen heute hören: lautes Kreischen, Knacken, Krachen, einen dumpfen Aufschlag ... mehrmals hintereinander! Was mochte nur diese Geräusche verursachen? Da kam eine alte Krähe, setzte sich in Nadelbäumchens Geäst und weinte bitterlich. Die alte Eiche vom Stephanienplatz - über Krähengenerationen hinweg war sie Schlaf- und Sammelplatz ihres Schwarmes gewesen - und heute gefällt worden. Wo sollten sie nun übernachten, woran sich orientieren? Selbst Jay, der lebenserfahrene Eichelhäher, konnte nur mit Mühe Tränen zurückhalten. Als Waldpolizist wollte er diese aber auf keinen Fall zeigen. Nadelbäumchen macht der Krähe einen Vorschlag ...

An Nadelbäumchens Baumstamm lässt sich ein fremder Musikant nieder und spielt auf einer Flöte. Ein Mädchen aus der Nachbarschaft kommt mit seinem Opa vorbei und überredet ihn, den Flötenspieler auf seiner Mundharmoika zu begleiten, die er immer einstecken hat. Die beiden Männer wissen allerdings nicht, welches Lied sie spielen könnten, denn keiner kennt die Namen der Lieder, die der andere vorschlägt. Da singt die Kleine kurzerhand eine Melodie vor. Die beiden Männer erkennen sofort, welches Lied sie meint und spielen es gemeinsam. Die Kleine dirigiert. Es klingt so schön, dass selbst auf dem Gehweg stehende Leute innehalten, applaudieren und "da capo" rufen.

Nadelbäumchen bemerkt dunkelgrüne, wuschelige Polster an seinem Stamm und auf der Wiese, weiß aber zunächst nicht, was das ist. Ein kleiner Junge fragt seine Mutter im Vorbeigehen, ob die Uroma ihre Haarnetze zum Trocknen auf die Büsche gelegt habe - und zeigt auf Hecken eben dem Nadelbäumchen. Die Mutter schüttelt lachend den Kopf und erklärte dem Kind etwas, aber zu leise, um vom Nadelbäumchen verstanden zu werden. Leiser Nieselregen fällt herieder und als dann die Sonne wieder scheint, glitzern die Netze. Marini, der Marienkäfer, sagt dem Nadelbäumchen, dass dies die Brillanten seien, welche die Mooswichtel zum Empfang von Wibold und Feechtel gestreut hätten, die auf ihrer Hochzeitsreise dort vorbei kämen. Von Mooswichteln hatte Nadelbäumchen nie zuvor gehört und auch davon, dass hier ein Empfang stattfinden solle, hatte ihm niemand gesagt! Doch dann lernte er Moosi kennen und wurde darüber aufgeklärt, dass Marini geflunkert hatte - zumindest, was die Brillanten und die Hochzeitsreise betraf.